20090617

47.Tag (Donnerstag 11.Juni) - von Monte do Gozo nach Santiago de Compostela - 5 km

Gegen 8 Uhr verliess ich nach einem improvisierten Fruehstueck die Herberge. Am Morgen dieses besonderen Tages, an dem ich meine Reise nach Santiago abschliessen sollte, huellte sich der Monte do Gozo noch im Nebel, aber im Laufe des Vormittags - dem feierlichen Ereignis angemessen - lichtete sich dieser und machte schliesslich einem Wechsel zwischen Sonne und Wolken Platz.


Das Papstdenkmal am Monte do Gozo im Nebel


Regulaer darf man in einer Pilgerherberge nur eine Nacht verbringen, die Herberge vor den Toren Santiagos bildet mit maximal drei Uebernachtungen insofern eine Ausnahme. Da ich zwei Naechte blieb, konnte ich also meinen Rucksack in der Herberge lassen - welch eine Wohltat!

In Santiago ueberquerte ich eine Autobahnbruecke und kam durch die Vorstadt dann in enger werdende Strassen und schliesslich durch schmale Gassen der Innenstadt, die sich durch eine barocke und klassizistische Bebauung auszeichnet. In dieser Kulturhauptstadt Europas ist es auch der bunte Mix an Menschen, der Santiago einen einzigartigen Flair verleiht. So darf sich diese Stadt sicherlich zu Recht mit zu den schoensten Staedten Europas zaehlen.


Auf dem Weg ins Zentrum Santiagos


Als sich bei meinem Gang durch die Altstadt ploetzlich eine Gasse weitete, oeffnete sich mein Blick unvermittelt auf die Kathedrale, vor der ich auf einmal stand und von der ich absolut beeindruckt war. Sie war in ihren Ausmassen, Proportionen, in ihrer Schoenheit und Wuerde wohl das beeindruckenste Gotteshaus, das ich bislang gesehen hatte. Da bis zur Pilgermesse um 12 Uhr noch rund eineinhalb Stunden Zeit war, beschloss ich zunaechst das Pilgerbuero aufzusuchen, um mir die begehrte Urkunde ("Compostela") abzuholen, die man bekommt, wenn man die letzten 100 km nach Santiago zu Fuss bewaeltigt hat.

Das Pilgerbuero befindet sich im ersten Stock eines ehrwuerdigen kirchlichen Gebaeudes in unmittelbarer Naehe der Kathedrale. Im Treppenhaus hatte sich schon eine lange Schlange gebildet und ich hatte das zweifelhafte Glueck, waehrend der Wartezeit an einer Unterhaltung zwischen zwei Pilgerpaaren in gebrochenem Englisch teilhaben zu duerfen, wobei das eine (deutsche) Paar direkt hinter mir, das andere Paar direkt vor mir stand. Mir anderen Worten: Ich war also mitten im Ort des Geschehens. Das Gespraech hatte ungefaehr folgenden Inhalt: Der Mann hinter mir mit Seppelhut regte sich ueber die lange Schlange und die schlechte Organisation auf, er habe jetzt vom Pilgern genug, dauernd das Gehen, er wolle auch nicht weiter zum Kap Finisterre und dort den Nebel ueber dem Meer begucken, im Uebrigen erzaehlte er von vielen anderen tollen Dingen, die er schon gemacht hat. Darauf sie, die sonst kaum etwas sagte, zu ihm "Angeber" (auf deutsch) usw. So ging das jedenfalls in einem fort, bis ich dann endlich an der Reihe war. Fuer meine "Compostela" bekam ich sogar eine Papprolle, damit diese den Transport nach Deutschland gut uebersteht.

Mit Papprolle und Kamera ging ich dann zur Kathedrale, denn es war bereits kurz vor 12 und ich wollte die Pilgermesse nicht verpassen. Da die Kathedrale schon absolut voll war ging ich neben den Bankreihen nach vorne, um Ausschau nach einem freien Plaetzchen zu halten (zuhause klappt dies ja auch meist). Tja, also da sah es schlecht aus, nur in der ersten Reihe rechts sassen tatsaechlich nur 4 Personen, ansonsten sass man naemlich zu fuenft in der Reihe. Die beiden Deutschen am Rand wollten aber nicht ruecken, sie liessen mich jedoch grosszuegigerweise "rueberklettern". So sass ich dann schliesslich in der ersten Reihe. Von der feierlichen Messe war ich sehr beeindruckt, das gilt uebrigens auch fuer die Predigt, von der ich zwar im woertlichlichen Sinn natuerlich nicht sonderlich viel verstanden hatte, allerdings war ich beeindruckt ueber den Enthusiasmus, mit dem der Priester alle verschiedenen Caminos nach Santiago aufzaehlte um sodann die zahlreichen Nationalitaeten der vielen Pilger zu nennen; schliesslich zaehlte er voller Begeisterung dann auch alle Staedte mit dem Namen Santiago auf, die es neben Santiago de Compostela in der Welt gibt. Das war wirklich eine begeisternde Predigt, die auch ohne grosse Spanischkenntnisse in weiten Teilen nachzuvollziehen war.

Der Feierlichkeit der Messe litt leider unter dem wenig feierlichen Benehmen mancher Mitpilger, die zeitweise sogar waehrend der heiligen Kommunion trotz der Bitte des Priesters, nicht zu fotografieren, ein regelrechtes Blitzlichtgewitter ausloesten (das hier abgebildete Foto des Chors habe ich uebrigens kurz vor der Messe gemacht).


Chor der Kathedrale


Die Kroenung war dann folgende Begebenheit: Als ein deutscher Pilger bei der Kommunion versuchte, von einem seitlichen Gang nach vorne zum Altar zu kommen (und nicht wie ueblich ueber den Mittelgang) wurde er von einer Ordnungskraft zurueckgeschickt. Dies kommentierte der besagte Pilger sodann mit einem lautstarken "Goetz von Berlichingen - Zitat", das ueber zahlreiche Bankreihen zu hoeren war. In dem Moment habe ich mich fuer meine Landsleute geschaemt.

Nach der Pilgermesse setzte ich mich in eines der zahlreichen Strassenrestaurants, um dort Mittag zu essen. Dann schlenderte ich durch das Zentrum Santiagos und liess mich einfach von dem Flair dieser Stadt treiben. Auf einmal stand da voellig unvermittelt Cosima vor mir und wir freuten uns riesig, uns hier wieder getroffen zu haben. Nach einem Cafè besichtigten wir das Pilgermuseum. Cosima, die in einem Kloster in Santiago uebernachtet hatte, fragte mich, ob ich Lust haette mit ihr und einem weiteren Freund ab morgen den Weg bis zum Meer zu gehen, nach Finisterre und zum Heiligtum von Muxia. Ich freute mich auf diese Perspektive und willigte gern ein. Wir verabredeten uns fuer den naechsten Morgen um 9 Uhr vor der Kathedrale.


Vor der Kathedrale


Am spaeten Abend kehrte ich mit dem Bus zum Monte do Gozo zurueck, um dort ein letztes Mal zu uebernachten.

Mit dem heutigen Tag ist mein Weg von der Pyrenaeen ueber die Nordkueste nach Santiago beendet und die nun folgende Wanderung ans Meer (oder wie man frueher geglaubt hatte, bis ans "Ende der Welt") soll dazu dienen, diese Reise ausklingen zu lassen und die vielen verschiedenartigen und fast durchweg positiven und schoenen Erfahrungen und Erlebnisse zu reflektieren.

Aber bevor ich am 19.06. nach Hause fliege, werde ich noch einmal fuer ein oder zwei Tage nach Santiago de Compostela kommen, um dann endgueltig von dieser herrlichen Stadt Abschied zu nehmen - zumindest fuer die naechste Zeit.

20090611

46.Tag (Mittwoch 10.Juni) - von Arzua nach Monte do Gozo - 36 km

Gegen 9 Uhr machte ich mich von der Pilgerherberge aus auf den Weg. Besonders das erste Stueck dieser Strecke verlief durch schoene Waelder, dann entlang kleinerer Landstrassen.

Horreo in Arzua


Es regnete leider den ganzen Tag in Stroemen, was meiner Laune zunaechst nicht gerade foerderlich war, bis ich dann schliesslich den Regen zu meinem Freund erklaerte. Voellig durchnaesst war ich ja sowieso schon, so genoss ich das Tempo, in dem ich mich fortbewegen konnte - es ging meist leicht bergab - und ich erfreute mich an Dingen wie zum Beispiel den Ausweichmanoevern auf frischen Trampelpfaden, die ueber erhoehte Wiesen oder Waldstuecke fuehrten, wenn die normale Strecke eher einem See als einem Weg glich.

Diese zuegige Bewegung war auch wichtig, damit ich bei dem kalten Wind und Regen nicht zu frieren begann. Zeitaufwendiges Fotografieren fiel auch aus und so schaffte ich mit meiner letzten grossen Tagesetappe stolze 36 km. Fast schon ein wenig wehmuetig dachte ich an die letzten Wochen auf dem Jakobsweg zurueck, obwohl mir nach Abschiednehmen noch nicht zumute war. Durch das Tempo konnte ich einen ganzen Tag gewinnen; ich versprach mir davon auch, so am ehesten wieder auf die Freunde zu treffen, die ich auf dem Camino kennen- und schaetzen gelernt habe.

Mein heutiges Ziel war der "Monto do Gozo", ein Berg kurz von Santiago. Von dort wuerde ich am naechsten Morgen bequem in die Stadt gehen koennen, um mir unter anderem im Pilgerbuero meine Urkunde, die "Compostela", abzuholen und um 12 Uhr die Pilgermesse zu besuchen. Gegen 18 Uhr traf ich am "Monto do Gozo" ein, einem gigantischen Gebaeudekomplex mit mindestens 400 Betten fuer Pilger. Der herrliche Blick auf Santiago fiel wolkenbedingt leider aus oder besser gesagt "ins Wasser". Die anschliessende heisse Dusche tat mir richtig gut. Zum Abendessen legten ein Oesterreicher (der mit dem Fahrrad aus Bregenz seit einem Monat unterwegs ist) und ich den Rest unseres Proviants auf den Tisch und jeder nahm sich reichlich.

20090609

45.Tag (Dienstag 09.Juni) - von Sobrado dos Monxes nach Arzua - 22 km

In Sobrado dos Monxes nahm ich in der dem Kloster direkt gegenueberliegenden Bar erst mal ein Fruehstueck mit leckeren Croissants zu mir, so dass ich mich dann gegen 8 Uhr frisch gestaerkt auf den Weg machen konnte. Gleich hinter Sobrado, ich lief gerade gedankenversunken vor mich hin, bemerkte ich, dass mich von der anderen Strassenseite ein schoener und relativ junger Schaeferhund mit seinem Blick fixierte. Nichtsahnend ging ich weiter, da sah ich, wie er auf meine Strassenseite wechselte und mir hinterherlief.


Schaeferhund aus Sobrado


Er hatte Augen, die sagten: "Nimm mich doch mit". Immer wenn ich mich umdrehte, um nach ihm zu sehen, schaute er verschaemt zur Seite, um dann, wenn ich meinen Schritt fortsetzte, mir in einem Abstand von ca. 20 Metern zu folgen. Leider verstand er mich nicht, als ich ihm erklaerte, dass ich nichts fuer ihn haette. So ging das etwa eine Viertelstunde und ich musste mich beherrschen, mich nicht mehr umzudrehen. Gleichzeitig beschleunigte ich meinen Schritt. Nach einer geraumen Zeit drehte ich mich in einer Kurve dann schliesslich vorsichtig um. Gott sei Dank war er mir nicht weiter gefolgt, denn - obwohl genau mein Lieblingshund - waere es aus mehreren Gruenden ganz unmoeglich gewesen, ihn nach Deutschland mitzunehmen.


Leicht ansteigende Landstrassen


Ansonsten ging es an diesem Tag zumeist auf kleineren Landstrassen bis zum Ort "Casanova" immer leicht bergauf oder im Umkehrschluss "ab Casanova gings bergab".


Zwischen Sobrado dos Monxes und Arzua


Ab Arzua verlaufen alle drei Caminos (der Hauptweg Camino Frances, der Kuestenweg und der Camino Primitivo) bis Santiago de Compostela auf einer gemeinsamen Strecke; daher gibt es hier natuerlich viele Pilgerherbergen, um die grossen Pilgermassen aufnehmen zu koennen. Mit einer privat gefuehrten Herberge, die erst 2007 geoeffnet wurde, hatte ich eine gute Wahl getroffen.

Waehrend sich bei meiner heutigen Tagestour das Wetter einigermassen hielt und sich der Regen auf kleinere Schauer beschraenkte, ging hingegen am Abend solch ein Platzregen nieder, dass es nicht moeglich war, die Herberge trockenen Fusses zu verlassen. Ansonsten sah ich dort in lauter neue und zum Teil ziemlich gestresste Gesichter - die Zeit der netten kleinen und ueberschaubaren Herbergen war wohl vorbei.

44.Tag (Montag 08.Juni) - von Friol nach Sobrado dos Monxes - 27 km

Ich weiss nicht, ob ich es intuitiv tat oder einfach nur, um die Zeit zu ueberbruecken, bis der (leichte) Regen aufhoert - jedenfalls habe ich am Morgen nach dem Fruehstueck meine Wanderstiefel richtig intensiv eingefettet, was sich noch auszahlen sollte.


Vor dem grossen Regen


Denn was dieser Tag fuer ein Wetter bot, war bisher auf meiner Reise einmalig: Petrus hatte alle Schleusen geoeffnet und neben Donner, Blitz und Hagel fuer einen ausserst intensiven Dauerregen gesorgt. So wurde die Kamera wasserdicht im Rucksack verpackt, wo sie fuer den Rest des Weges auch blieb. Voellig durchnaesst kam ich im Kloster an, denn gegen solch einen Platzregen ist die beste Regenkleidung nicht gewappnet.


Kloster Sobrado dos Monxes


Fototechnisch wurde ich dann jedoch an meinem Tagesziel um ein Vielfaches entschaedigt. Vom Kloster Sobrado dos Monxes war ich nicht nur in dieser Hinsicht absolut begeistert. Es handelt sich um das erste spanische Zisterzienserkloster, dessen Original-Kirche aus dem 12. Jahrhundert stammt. Die dortige Pilgerherberge ist als Zeichen der Fuersorge der Moenche fuer die Pilger sehr gepflegt und in jeder Hinsicht hervorhebenswert. Der nette Moench, der sich besonders um die Pilger kuemmert, verriet mir einen Nebeneingang, durch den ich in die fast leere Kathedrale des Klosters gelangen konnte. Ich war begeistert.


In der Kathedrale des Klosters Sobrado dos Monxes


Obwohl im 17. Jahrhundert durch ein barockes Gebaeude ersetzt, sind noch zahlreiche Gebaeudeteile aus dem 13. Jahrhundert zu bestaunen. Ich hielt mich mindestens eine Stunde im Kloster zum Fotografieren auf, bevor ich um 19 Uhr an der ruhigen, fast meditativen Vesperandacht teilnahm, die in der kleinen Kapelle des Klosters stattfand. Anschliessend zeigte ich dem besagten Moench die Fotos aus der Kathedrale und er teilte meine Freude.

43.Tag (Sonntag 07.Juni) - von Lugo nach Friol - 30 km

Ein Tag, der mich meist auf kleinen Strassen entlang durch unberuehrte galizische Doerfer fuehrte. Als waere die Zeit stehen geblieben oder diese Doerfer in Vergessenheit geraten waeren. Nur die moderne Technik, die natuerlich auch dort Einzug gehalten hat, vermochte mir diese Illusion zu rauben. Leider war das Wetter wie in den letzten Tagen sehr wechselhaft, um nicht zu sagen "durchwachsen", so dass sogar die Baeuerin beim Viehtrieb nicht auf den Regenschirm verzichten konnte.


Viehtrieb mit Regenschirm


Ein Hoehepunkt des heutigen Tages war der Besuch des Tempels und der Kirche von Santa Eulalia de Boveda, die etwas abseits meines Weges lagen, aber den kleinen Umweg unbedingt lohnten. Waehrend die Kirche auf das 4. oder 5. Jahrhundert zurueck geht, befindet sich in einem Kellergewoelbe unter der Kirche eine historische Kultstaette, in der einstmals ein auf der iberischen Halbinsel sehr verbreiteter "Wasserkult" praktiziert wurde. Dieser archeologische Schatz ist erst in den zwanziger Jahren entdeckt worden - es sind sehr interessante Wandmalereien mit vielen Vogelabbildungen zu sehen.


Im Tempel unter der Kirche von Santa Eulalia de Boveda


Am Abend traf ich dann schliesslich in Friol ein, wo ich in einer Gaststaette ein Zimmer nahm, denn auf der Strecke zu meinem naechsten Etappenziel, dem Kloster Sobrado dos Monxes, gab es keine annehmbare Pilgerherberge. Diesen Luxus eines eigenen "Hotelzimmers" habe ich sehr genossen, denn die letzte Nacht in der Pilgerherberge in Lugo war wieder sehr "geraeuschintensiv". Am Abend gab es in dem Gasthaus dann natuerlich noch ein tolles Abendessen mit mehreren Gaengen - wie in Spanien ueblich - und mit einem guten Rotwein dazu.

20090606

42.Tag (Samstag 06.Juni) - Lugo

Lugo war zur Zeit der Roemer einst die Hauptstadt der Provinz Gallaecia und hat daher neben einer beruehmten Stadtmauer aus dem 1. und 2. Jahrhundert, die heute noch vollstaendig erhalten ist, auch sonst einige Sehenswuerdigkeiten zu bieten.


Blick von der Stadtmauer auf die Kathedrale von Lugo

Leider war der wanderfreie Tag bis zum spaeten Nachmittag verregnet, sodass die Stadtbesichtigung schon fast ins Wasser gefallen waere, wenn nicht so interessante Bauwerke wie die Kathedrale gewesen waeren, deren "Innenleben" einen Besuch wert war. Und wie der Zufall so wollte, war dort gerade eine Hochzeit - ein Brautpaar wie im Bilderbuch.


Hochzeit in der Kathedrale

41.Tag (Freitag 05.Juni) - von Cadavo/Baleira nach Lugo - 30 km

Die letzte Nacht hatten wir in der Super-Luxus-Herberge des Camino Primitivo verbracht, sozusagen der 4-Sterne-Herberge auf dem Weg. Allerdings war - so gar nicht zum Ambiente passend - leider das Gas ausgegangen, was zur Folge hatte, dass Kalt-Duschen angesagt war.


Wald im dichten Nebel


Am Morgen war bereits um halb sechs eine solche Hektik im Schlafsaal ausgebrochen, so dass ich gegen acht Uhr als letzter die Herberge verliess. Die heutige Strecke nach Lugo fuehrte meist eben oder leicht bergab durch Waelder und durch kleine Doerfer, deren Haeuser vollkommen aus Granit gebaut wurden. Es regnete den ganzen Tag immer wieder, was zur Folge hatte, dass ich mein Regenzeug immer wieder an- und ausziehen musste.


Instabile Wetterlage - immer wieder Regen


Seit Oviedo funktioniert mein Handy nicht mehr, sodass ich keine SMS bekommen oder senden kann, auch keine Tefonate sind mehr moeglich, "Nur Notrufe", wie das Display anzeigt (Mitteilungen an mich deshalb bitte per Email). Um von meinem Handy mit mp3-Player doch noch etwas zu haben, hoerte ich heute beim Gehen meine Lieblingsmusik und liess mich auf diese Weise von der Landschaft und den Baumriesen inspirieren, deren Staemme oft wie Gesichter oder wie Fabelwesen aussahen. Als ich diese Umgebung so auf mich einwirken liess, war es fuer mich leichter zu verstehen, dass der auf keltische Urspruenge zurueckgehende Geisterglaube in Galizien auch heute noch seine Spuren hinterlassen hat. So soll zum Beispiel auch die enorme Anhaeufung riesiger Kreuze auf den galizischen Friedhoefen neben der rein religioesen Bedeutung auch der Abwehr boeser Geister dienen.


Baumgesichter


Am Abend kam ich gegen 18 Uhr voellig durchnaesst in Lugo an. Da ich dort einen Tag laenger bleiben werde, um mir die Stadt anzuschauen, war leider wieder einmal Abschied zu nehmen von Cosima, Jaqueline, Joachim und Helga.

40.Tag (Donnerstag 04.Juni) - von Fonsagrada/Padron nach Cadavo/Baleira - 23 km

Die heutige Strecke gingen Cosima und ich gemeinsam. Vor Tagen war bereits fuer heute ein Wetterumschwung angesagt worden. Es sollte Regen geben, der zwar nicht ganz aus blieb - alles in allem war es aber ein Tag im dichten Nebel.

Kapelle bei Montouto nahe einer historischen Pilgerherberge


Cosima sagte, mit dem Nebel sei das wie mit der Zukunft: Man koenne zwar nicht sehen, was sich hinter dem Nebel verbirgt, aber es lasse sich erahnen, dass es sehr schoen sein muss. Ueber diesen Satz musste ich lange nachdenken und mir fiel auf, dass solch ein Nebeltag auch den Blick oeffnen kann fuer die Dinge, die ganz nah sind, die man sonst uebersieht und deren Schoenheit sich im Nebel in ganz neuer Art und Weise offenbaren kann. So wie die Spinnengeflechte, die jetzt in vollkommener Schoenheit zum Ausdruck kommen oder die Wassertroepfchen, wie sie an den Bluetenstaenden abperlen.

Bluetenstand mit Wassertroepfchen

Auch kann uns der Nebel unterstuetzen, mehr in uns hineinzuhorchen und alles was ablenkt auszublenden. So bekam diese Wanderung im Nebel Tiefe, obwohl - oder gerade weil - uns vieles von der uns umgebenden Schoenheit der Landschaft verborgen blieb.

Spinnennetz und -geflechte


39.Tag (Mittwoch 03.Juni) - von Grandas de Salime nach Fonsagrada/Padron - 26 km

Am heutigen Morgen kam ich nach einem improvisierten Fruehstueck - Jaqueline hatte mit ihrem Mini-Kocher wieder hervorragenden Kaffee gekocht - schon aussergewoehnlich fruehzeitig los, naemlich schon um halb acht. Ich hatte mir deshalb vorgenommen, heute einen Gang langsamer einzulegen, um beim Gehen die Seele richtig baumeln lassen zu koennen.

In Castro kam ich an den Ausgrabungen einer Burg aus dem 8. Jahrhundert vorbei, dann an einer sehr schoenen Kapelle (Ermita de San Lazaro de Padraira), wo ich ein paar aufnahmen machte (und dazu auch den Polfilter abschraubte, aber dazu spaeter mehr...). Mein Weg fuehrte mich zunaechst ueber durch Farn gesaeumte Pfade, dann leider auf einer im Bau befindlichen Strasse, die mir reichlich ueberdimensioniert vorkam. Schliesslich ueberquerte ich am Pass "Alto del Acebo" die Grenze zwischen Asturien und Galizien, wo ich im einzigen Haus von Acebo, naemlich einer Bar, Jaqueline traf.

Meterhoher Farn

Nach meiner Mittagspause, die ich dort verbrachte, machte ich mich auf den Weg, blickte nochmals auf den Pass zurueck, und bemerkte, als ich ein paar Bilder machte, den Verlust meines Polfilters. Mir war sofort klar, dass ich ihn in der schoenen Kapelle kurz hinter Castro liegen gelassen hatte, das lag jedoch bereits 7 km zurueck. ich ueberlegte, ob ich auf den Filter verzichten solle und welche Chancen ueberhaupt bestehen, den Filter wiederzubekommen.
Ich sah, dass vor der Bar, in der ich gerade Rast gemacht hatte, zahlreiche Lastwagen standen, von denen mich auf meinem letzten Abschnitt der Strecke viele ueberholt hatten und die fuer den dortigen Strassenbau unterwegs waren. So ging ich gegen 13 Uhr zurueck zur Bar und fragte, ob einer der Fahrer Englisch spricht. Ich hatte Glueck, einer der Fahrer erklaerte mir, dass er mich zurueck bis Castro nehmen koenne, wenn ich bis 14 Uhr warten wuerde, bis die Mittagspause vorbei sei. So kam ich wieder an meinen Polfilter, der in der Kapelle immer noch neben drei brennenden Kerzen lag. Auf meinem Rueckweg zum Pass ging ich auf der Strasse in der Hoffnung, ein Auto wuerde mich wieder bin dorthin mitnehmen. Und tatsaechlich, nachdem ich etwa 10 Minuten zu Fuss unterwegs war, kam genau derselbe Fahrer, der mir eben erst geholfen hatte, jetzt aus der anderen Richtung. Er betatigte die Lichthupe, hielt neben mir an und freute sich mit mir ueber den "organisatorischen Erfolg". Ueber Sprechfunk gab er diese Erfolgsmeldung an seine Kollegen weiter, denn ich verstand immerhin soviel, dass er lachend ueber den "Peregrino" (Pilger) berichtete. Am Pass "Alto del Acebo" liess er mich wieder aussteigen und bat mich, mich zu damit beeilen, denn sein Chef wwar wohl in der naehe. Ich wollte ihm aus dank noch etwas zustecken, er lehnte jedoch entschieden ab und verabschiedete mich mit einem "good bye friend!".


LKW am Pass "Alto del Acebo"

So ging ich etwa an der Stelle weiter, an der ich meine heutige Wanderung abgebrochen hatte. Ich war jetzt also in Galizien und mir fiel auf, das der Jakobsweg hier anders gekennzeichnet wir als in Astrurien. Neben gelben Pfeilen und den Muschelsymbolen, die hier nur umgedrecht dargestellt werden, gibt es ausserdem Wegweiser mit einer stilisierten Muschel, diese sieht genauso aus wie eine Sonne - die Sonne begleitet mich also auf meinem weiteren Weg.

Nur mit meinem anfangs fuer diesen Tag urspruenglich geplanten langsamen Schlendern war es an diesem Tag ja nichts mehr, denn durch meine "Polfiltergeschichte" war ich schon recht spaet dran, zumal ich mich an einer Strassen-Baustelle noch verlief und meinen Irrtum nach etwa einem Kilometer bemerkte. Obwohl ich mein Tagesziel Fonsagrada, das auf der Hoehe lag, schon lange von weitem sah, kam ich erst gegen 20 Uhr in der Herberge an, wo sich Jaqueline, Cosima, Joachim und Heidi sehr ueber mein Eintreffen freuten (was mich wiederum sehr freute). Am Abend gab es noch ein tolles Abendessen - Joachim und Heidi hatten gut und scharf gekocht - bevor ich frueh ins Bett ging, um mich vom Abenteuer des heutigen Tages zu erholen.


Blick ueber das Tal nach Fonsagrada

20090602

38.Tag (Dienstag 02.Juni) - von Berducedo nach Grandas de Salime - 20 km

Nach dem Fruehstueck musste ich feststellen, dass meine Sonnenbrille nicht mehr da ist, die ich am Vorabend in ein Regal in der Kueche gelegt hatte. Cosima meinte, sie sei gestern Abend von einem Taxifahrer, der Sachen von einem Schweizer Paar abgeholt hatte, mitgenommen wurden (die beiden Schweizer hatten sich am Vorabned mit letzter Kraft zur Herberge geschleppt und hatten sich dann mit einem Taxi zum naechsten Etappenziel bringen lassen, da die Herberge in Berducedo schon voll war). So ging ich heute eben ohne Sonnenbrille los und bedauerte den Verlust.

Meine heutige Strecke fuehrte mich zunaechst auf einem schattigen Waldweg leicht bergab, dann auf der Strasse. Ab dem naechsten Ort war dann ein enorm steiler und ewig langer Anstieg auf der Strasse zu bewaeltigen. Dann ging es Gott sei Dank wieder leicht bergab und nach geraumer Zeit erreichte ich eine Weggabelung, an der es sich Cosima gemuetlich gemacht hatte. Wie sich herausstellte, wartete sie dort auf mich. Sie hatte tatsaechlich meine Sonnebrille in der Hand und fragte mich, ob diese denn meine sei, was ich bestaetigte - ich konnte es kaum fassen!

Cosima erklaerte mir die Zusammenhaenge: ein paar Spanier hatten sich - gerade als sie auch dort war - an dieser Wegkreuzung absetzen lassen, um dort ihre heutige Wanderung zu beginnen und da hatte sie den Taxifahrer gleich nach der Brille gefragt. Und diese war tatsaechlich auch im Taxi, denn die Schweizer hatten sie dort zurueckgelassen, weil sie ihnen ja nicht gehoerte. Eine tolle Geschichte und ich war froh, meine Sonnenbrille wieder zu haben.

Den weiteren Weg gingen Cosima und ich an diesem Tag gemeinsam und wir hatten dabei sehr gute Gespraeche ueber Gott und die Welt. Der Weg fuehrte uns durch ueppig bluehende Heidelandschafen, der Nebel hing noch in den Taelern. Wir kamen an der Kapelle von Buspol mit seinem ruehrend schoenen Altar vorbei, der mich an den Stil naiver Malerei erinnerte.


Altar in der Kapelle von Buspol


Dann sahen wir schon von Weitem unser Etappenziel Grandes de Saline zum Greifen nah, doch der Schein truegte. Wir mussten erst tief ins Tal hinunter und kamen dabei durch einen herrlichen Kastanienwald. Dann mussten wir um einen Stausee herumgehen, um auf der anderen Seite dann schliesslich ueber eine steil und vor allem lang ansteigende Strasse und spaeter einem sehr schoenen Pfad durch meterhohen Farn unserem Tagesziel naeher zu kommen.


Blick ueber das Tal auf Grandas de Salime


Die dortige Herberge war sehr bescheiden und auch schmutzig, so dass sie erst einer Reinigung unterzogen werden musste. Neben uns Pilgern schlief dort eine Obdachlose von etwa Mitte 50, die offensichtlich keine Spanierin war und irgendwie in Spanien gestrandet sein musste. Sie hatte einen kuriosen Handwagen dabei, der mit einem mit Herzchen verzierten Umhang versehen war; in diesem transportierte sie ihr Hab und Gut, das aus zahlreichen Kleidungsstuecken bestand. Diese Begnung machte uns ziemlich betroffen und Cosima, Jaqueline, Joachim, Heidi und ich raetselten ueber das Schicksal dieser Frau, die sich am naechsten Morgen mit "Auf Wiedersehen" bei uns verabschiedete.

37.Tag (Montag 01.Juni) - von Campiello nach Berducedo - 28 km

Als Jaqueline und ich am naechsten Morgen ueber die heute zu bewaeltigende Route sprachen, merkte ich, dass sie einerseits Angst hatte, den Weg durch das Hochgebirge allein zu gehen, dass sie dieser Weg andererseits wiederum aber auch sehr reizen wuerde. So machte ich ihr Mut und zum Schluss waren wir uns einig, dass wir die heutige Tagesetappe gemeinsam gehen wollten. Nicht nur weil Jaqueline und ich uns nur in Englisch unterhalten konnten: "Yes we can!" wurde unser Leitsatz, der nicht nur als Ansporn fuer den heutigen Weg diente. Nein, bei allen kritischen Wegsituationen an diesem Tag hiess es nur noch "Yes we can!".


Morgenstimmung ueber den Bergen


Nach der Kapelle von Mortera fuehrte uns der Weg zunaechst hinauf auf einen langen Grat, von dem wir eine einmalige Aussicht auf die Berge Asturiens hatten.


Pause ueber den Bergen Asturiens


Wir ueberquerten Bergwiesen mit Pferden, die frei wie Wildpferde auf den nur sehr weitraeumig eingezaunten Bergalmen gehalten werden. An einem Bergsee weideten Kuehe. Als wir dort unser "Lager" aufschlugen, um Mittagspause zu machen, kam der Bulle schnaubend auf uns zu, so dass sich meine Gedanken ganz schnell mit Fragen eines geordneten Rueckzugs befassten. Gott sei dank ging der Bulle dann doch weiter zum Rest seiner Herde, die sich hinter uns befand.

Die Ruinen der historischen Pilgerhospitaeler, die wir an mehreren Stellen des Weges vorfanden machten uns deutlich, auf welch historischem Weg wir uns befanden. In einem dieser ehemaligen Pilgerhospitaeler, von dem noch ein Haus bewohnt zu sein schien, suchten wir nach Wasser, um unsere Vorraete nachzufuellen.

Jaqueline mit Hund


Da kam auf einmal ein riesiger heller Bernhardiner um die Ecke, so dass ich erstmal ziemlich erschrak. Der Hund war aber absolut zutraulich und wir befuerchteten schon, dass er uns folgen wuerde nach den vielen Streicheleinheiten, die er von uns bekommen hatte.

Durch herrliche Heidelandschaften ging des dann wieder abwaerts und wir kamen muede aber zufrieden an der Pilgerherberge in Berducedo an. Wir hatten Glueck, noch zwei Betten zu bekommen, denn neben mehreren Spaniern (u .a. auch Ramon) waren da auch schon Cosima, Alfred mit Frau (ein schon laengerer Weggefaehrte aus Salzburg) sowie Jochen und Heidi aus der Naehe von Nuernberg, die ich am Abend zuvor in Campiello kennengelernt hatte.

36.Tag (Sonntag 31.Mai) - von Bodenaya nach Campiello - 26 km

Am heutigen Sonntag begleitete wieder schoenster Sonnenschein meinen Weg. Auf den Waldwegen wurde das Sonnenlicht durch die Zweige gebrochen und alles erstrahlte in einem frischen gruenen Licht. Ich dachte an meine Mutter, die heute 88 wird.

Ausserhalb des Waldes fuehrte mich der Weg von Bodenaya nach Tineo zunaechst meist parallel zu den Hoehenlinien auf halber Berghoehe entlang und mein Blick wurde immer wieder auf fantastische Bergpanoramen freigegeben.


Kontrast - Alte Kirche und Windraeder



Immer wieder kam ich direkt an Bauernhoefen vorbei, meist mit Milchvieh, und fuehlte mich in meine Lehrzeit zurueckversetzt, als ich all diese Eindruecke voll in mir aufnahm.


Bauernhof zwischen Bodenaya und Campiello


Kurz vor Campiello machte ich einen Umweg, um ein verlassenes Kloster zu besuchen. Leider hatte dieses geschlossen. Ich wartete eine Stunde, denn um 18 Uhr sollte das Kloster zu einer Gemaeldeausstellung geoeffnet werden. Leider kam niemand. So musste ich mit der aeusseren Ansicht des Klosters vorlieb nehmen.


Verlassenes Kloster St. Maria Real von Obona


In Campiello, dem heutigen Etappenziel, hatte Jaqueline (die frueher als ich in Bodenaya startete) schon ein Bett in der "Casa Herminia" reserviert, einer Pension, die von der geschaeftstuechtigen Herminia betrieben wird. Hierdurch konnte ich wieder einmal eine Nacht in einem richtigen Bett mit dem Luxus von frischer Bettwaesche verbringen.


Kaeuzchen vor dem verlassenen Kloster


Eine Uebernachtung hier war auch deshalb wesentlich praktischer in der Pilgerherberge im 3 km weiter entfernten Borres, weil Herminia einen kleinen Laden betreibt, in dem ich gleich noch die Verpflegung fuer den naechsten Tag kaufen konnte, denn auf der folgenden Strecke im Hochgebirge gibt weit und breit weder ein Restaurant noch sonst irgendeine Verpflegung.

35.Tag (Samstag 30.Mai) - von San Juan de Villapañada nach Bodenaya - 28 km

Der heutige Weg fuehrte mich bei herrlichem Sonnenwetter vorbei an zahlreichen schoenen Getreidespeichern (horreos) und es taten sich immer wieder beeindruckende Panoramen auf. Ueberdimensionale Moospolster an einem schoenen Waldweg luden mich zur Rast ein, hier machte ich meine Mittagspause.


Mittagspause auf dem Moos


Ein Kontrastprogramm lieferte der Camino allerdings, als es vorbei an Steinbruechen ging oder an der im Bau befindlichen Autobahn, die in diese liebliche Landschaft hier ganz massiv eingreift.

Nach Salas, einer netten Kleinstadt mit einem Palast und einem historischen Festungsturm aus dem 14. Jahrhundert ging der Weg steil bergauf nach Bodenaya, dem naechsten Etappenziel. In Alejandros Herberge, einer privaten Pilgerherberge, die liebevoll restauriert wurde, traf ich zu meiner grossen Freude wieder Jaqueline (aus Frankreich), Christine (aus Esslingen) sowie Cosima (aus Norwegen). Mit Volker aus Andorra und einigen Spaniern waren wir mit Alejandros (dem Eigentuemer, der den Camino selbst schon etliche Male gelaufen ist) und seinem Hospitalero eine lustige Truppe.


Mit Alejandro (vorne) in seiner Herberge


Nach dem gemeinsamen Kochen sassen wir noch lange zusammen, hatten Spass und Alejandros zeigte uns ein paar seiner Zaubertricks.

34.Tag (Freitag 29.Mai) - von Escamplero nach San Juan de Villapañada - 17 km

Als wir am naechsten Morgen die Herberge verliessen, um die Herbergsschluessel zurueckzubringen, wurden wir durch Sonnenstrahlen von nie dagewesener Schoenheit begruesst, die den aufsteigenden Nebel durchbrachen.

Morgendliche Sonnenstrahlen in Escamplero













Dessen feine Troepfchen zauberten einen Strahlenkranz, wie ich ihn vorher noch nie gesehen hatte. Natuerlich musste ich gleich an das gestrige Tarot denken, denn in dessen Ergebnis sollte mich die "Sonne" auf meinem weiteren Weg massgeblich begleiten. Dass ich gerade diese Karte gezogen hatte, fand ich aber auch aus rein wettertechnischer Sicht ganz praktisch, denn seit diesem Tag gab es auf dem Camino bis heute nur noch Sonnenschein. Dass auf dem weiteren Weg kurz nach dem Losgehen noch weitere Dinge mit den gezogenen Karten (eine Karte war der "Eremit") in Verbindung zu stehen schienen, wie zum Beispiel die "Eremitenkirche", die gleich nach Escamplero am Wegrand lag, sei nur am Rande erwaehnt. Sollten mir solche Dinge zu denken geben? Als rational denkender und auch skeptischer Mensch suche ich natuerlich keine weiteren Zusammenhaenge, sondern nehme diese Dinge jetzt einfach mal nur so zur Kenntnis...


zwischen Esamplero und Grado


Der Weg ging weiter durch durch eine zauberhafte Landschaft, das Licht wurde bestimmt durch eine immer kraeftiger werdende Sonne, welche die Nebelbaenke allmaehlich durchbrach.

Die Wiesen und die Aecker dampften, die Luft war rein und die Waerme der sich langsam durchsetzenden Sonne ergab in Verbindung mit der reinen Luft aufgrund des vorangegangenen Regens ein absolutes Wohlfuehlklima, bei dem es Spass machte zu Laufen und nach vorn zu schauen.


zwischen Esamplero und Grado


Das letzte Stueck der Strecke vor Grado fuehrte mich ueber einen baumlosen geschotterten Feldweg, der sich langweilig durch das Tal zog und auf dem mir in der groessten Mittagshitze mehrere Jogger entgegenkamen. Die Kleinstadt Grado liess ich hinter mir, um zum noch 6 km entfernten San Juan de Villapañada zu gelangen, wo sich die naechste Pilgerherberge befand. Kurz bevor ich mein Ziel erreicht hatte, hoerte ich hinter mir José (aus Rio), den ich schon am Anfang meines Weges auf dem Camino Costa kennengelernt hatte und wir freuten uns ueber das Wiedersehen.

Die Herberge, von der man einen tollen Blick auf die Berge und ueber die Stadt Grado hatte, war gut besucht und neben Spaniern und Franzosen waren da auch eine Irin, eine Norwegerin und ein Englaender.

20090529

33.Tag (Donnerstag 28.Mai) - von Oviedo nach Escamplero - 17 km zu Fuss

Gegen 8 Uhr begann mein Weg in Oviedo nach einem kleinen Fruehstueck in einer der Bars gleich in der Naehe der Herberge. Ich nahm einen Umweg, um mir die beiden praeromanischen Kirchen auf dem Monte Narranco, "Santa Maria del Naranco" und "San Miguel de Lillo", anzuschauen. Dort angekommen, traf ich Jaqueline aus Frankreich wieder und zwei deutsche, die zwei Naechte vorher in der Herberge uebernachtet hatten. Ich hatte das grosse Glueck, gerade 5 Minuten vor Beginn einer Fuehrung vor Ort zu sein. Leider verstand ich nicht sehr viel, aber immerhin bin ich auf diese Weise in beide Kirchen hineingekommen.

Den weiteren Weg nach Escamplero ging ich - abweichend von der Empfehlung aus dem Fuehrer - auf einem Panoramaweg, der herrliche Ausblicke auf die Berge (bei nahezu klarer Sicht!) und die Stadt Oviedo bot. Etwa auf der Haelfte der Strecke stiess ich bei einer kleinen Kapelle wieder auf den regulaeren Jakobsweg, der sich dort lieblich durch die Landschaft schlaengelte.

Einige Kilometer vor Escamplero hoerte ich eine Stimme hinter mir, ich solle mich nicht erschrecken. Es war Christine, die den Vormittag in Oviedo genutzt hatte, noch ein wenig zu "shoppen". Wir beschlossen, uns in einer Bar zu erfrischen. Dabei kamen wir in ein gutes Gespraech ueber den Camino, das Gestern, Jetzt und Morgen. Es stellte sich heraus, dass Christine Tarot-Karten dabeihatte, die sie gern fuer mich legen wollte. Trotz meiner Skepsis stimmte ich zu und wir setzten uns etwas Abseits unter ein paar Baeume, um die Karten zu legen und zu lesen. Anschliessend liess mich Christine mit dem (sehr schoenen) Ergebnis allein, ueber das ich noch laengere Zeit nachdachte, bevor auch ich meinen Weg in Richtung Herberge fortsetzte.

In der aeusserst sauberen und neuen Herberge angekommen, waren da Christine (28), Jaqueline (65) und Ramon (ein 75-jaehriger sehr netter Spanier), der den Jakobsweg inzwischen schon das fuenfte Mal geht. Gemeinsam liessen wir den Abend bei einem reichlichen Abendessen mit Rotwein und netten Gespraechen ausklingen, bis sich am naechsten Morgen unsere Wege wieder trennen sollten.

20090527

32.Tag (Mittwoch 27.Mai) Oviedo

Fuer den heutigen Tag hatte ich mir wieder mal einen "wanderfreien Tag" gegoennt, um auszuruhen und mir Oviedo ein wenig anzuschauen, die erste Stadt abseits des Kuestenwegs, den ich ja gestern verlassen hatte, um auf den "Camino Primitivo", den aeltesten aller Jakobswege ueberzuwechseln. Auf diesem neuen Weg, der abseits der Kueste und somit der Fremdenverkehrsmetropolen liegt, gefaellt mir die Athmosphaere besser. Ich bilde mir ein, es ist ruhiger und besinnlicher, die Leute sind etwas freundlicher (immer wieder wurde mir wieder ein "Buen Camino" zugerufen) und ich merkte, wie eine innerere Ruhe langsam wieder Platz von mir ergriff.

Gehen und dabei die Gedanken schweifen lassen, das geht besser mit dieser inneren Ruhe, die wahrscheinlich auch erst bei laengerem gleichmaessigen Schreiten einsetzen kann. Bei den Wegen, wie ich sie bislang oft an der Kueste gehen musste, war hierfuer oftmals kein Platz, denn die Gedanken hatten in erster Linie ganz banalen Fragen zu folgen, die mit der Organisation des eigentlichen Gehens, des Weiterkommens auf dem Weg zu tun hatten. Das galt natuerlich ganz besonders bei den schlechten Wegeverhaeltnissen, wie ich sie in den letzten Wochen aufgrund des aufgeweichten Bodens oftmals vorgefunden habe. Natuerlich hat aber auch das Gehen solch schwieriger Wege seine eigenen Reize, besonders dann, wenn sich unvermutet von einer Sekunde zur naechsten ganz herrliche Ausblicke auftun, die man in dem Moment gar nicht erwartet haette.

Naja, kurz und gut, ich habe jetzt eigentlich auch genug vom Kuestenweg gesehen bzw. ihn jetzt genug erwandert. Ich glaube, der Weg, der jetzt auf mich zukommt spricht mich stimmungsmaessig intensiver an und ich bin gespannt, was dieser neue Camino alles so bringt.

Insofern ist ein Zwischenstopp in Oviedo gut, einen Gedankenstrich zu ziehen, den bisherigen Weg ein wenig sacken zu lassen, bevor die Herausforderungen des landschaftlich schoensten, aber wohl auch haertesten Jakobsweges auf mich zukommen, denn der Camino Primitivo verlaeuft von Oviedo aus quer ueber die Berge Asturiens und Galiziens in Richtung Santiago.


Kathedrale von Oviedo
Neben der Hauptsehenswuerdigkeit der Stadt, der Kathedrale, besichtigte ich in Oviedo neben dem dortigen Museum ganz in der Naehe auch das Benediktinerinnenkloster zur morgendlichen "Laudes". Kurz vor halb neun wurde das schwere Eisentor innerhalb der dortigen Klosterkirche geoeffnet und Besuchern erlaubt, neben den Reihen der Nonnen im Chor Platz zu nehmen. Die Gesaenge waren von einfacher und schlichter Schoenheit, wobei die wunderbare Akustik der Kirche zu einem vollen und ergreifenden Klangbild verhalf, das mich sehr beeindruckte. Danach kam eine Nonne, welche die Kirche wieder verschloss, auf mich zu und fragte mich sehr freundlich nach meinem Weg, wo ich schon ueberall gewesen sei.

Am Abend dann ein Kontrastprogramm: Beim Schlendern durch die Gassen der Altstadt fiel mir auf, dass die Bars recht gut besucht waren, denn das Fussballspiel Barcelona gegen Manchester United wurde gerade life uebertragen. In einer Stundentenkneipe habe ich das Spiel mitverfolgt und war von dem Enthusiasmus der Spanier ueberwaeltigt. Da diese auch deutlich gewonnen hatten, waren sie natuerlich nicht mehr zu bremsen, fielen sich bei Toren in die Arme, es war eine unbeschreiblich losgeloeste und tolle Stimmung. Als ich gegen halb elf wieder in die Herberge kam, waren alle Betten leer, die anderen Pilger waren ja weitergezogen. Ein freudiges Wiedersehen gab es mit Christine aus Esslingen, die ich in La Isla schon kennengelernt hatte und die mit Jaqueline aus Frankreich ueber das Kloster Valdedios heute in Oviedo angekommen war.


Kirche San Juan El Real in Oviedo

31.Tag (Dienstag 26.Mai) - von Valdedios nach Oviedo - 30 km zu Fuss

Nach schlecht geschlafener Nacht bin ich gegen 7 aufgestanden, um rechtzeitig zur Messe um halb neun an der Klosterkirche zu sein, alles schon gepackt, damit ich mich danach dann gleich auf den Weg machen kann. So war ich kurz vor halb neun vor der Klosterkirche und erstaunt, dass kein Mensch weit und breit zu sehen war, auch war die Kirchentuer noch mit einem zusaetzlichen Tor verschlossen worden. Natuerlich dachte ich, wahrscheinlich habe ich da was falsch verstanden und die Messe ist wahrscheinlich erst am Abend.

Chor der Klosterkirche Valdedios
Daher machte ich mich auf den Weg und ging aufgrund der merkwuerdigen Beschreibung in meinem Fuehrer in die falsche Richtung, denn dort stand: "Weiter geht es in der Richtung aus der Sie gekommen sind". Nachdem ich auf die Weise bis zur naechsten Strassenkreuzung gekommen war, passte von der Wegbeschreibung dann schliesslich gar nichts mehr, so dass ich umkehrte in der Gewissheit, dass die entgegengesetzte Richtung stimmen muss. Als ich auf diese Weise nochmals am Haupttor des Klosters vorbeikam , sah ich vor der Kirche den Priester aufgeregt hin- und herlaufen, der sichtlich erleichtert war, als er mich sah. Ich ging natuerlich - als wenn ich nie woanders haette hingehen wollen, sofort durch das Tor und auf ihn zu. Da er kein Englisch sprach, waren ja auch keine peinlichen Fragen zu erwarten. Er schien jedenfalls wie ich sehr froh zu sein und machte mir ein Zeichen, mit ihm in die Kirche zu gehen und im Chor Platz zu nehmen. Dann verschwand er in der Sakristei um sich das Messgewand ueberzuziehen. So nahm ich das erste mal an einer Heiligen Messe teil, an der ausser dem Priester und mir keine weitere Person in der Kirche war. Diese Situation war so aussergewoehnlich und scheinbar unwirklich, dass mir hier die Worte fehlen, dieses Erlebnis richtig zu beschreiben. Waere ich nicht vor der Messe den falschen Weg aus dem Kloster gegangen, haette ich das wohl bewegendste Erlebnis meines bisherigen Jakobsweges verpasst.


Klosterkirche Valdedios













Nach der Messe hatte ich auf meinem weiteren Weg erst einmal enorme Steigung zu ueberwinden. Im naechsten Dorf wollte ein lieber kleiner Hund mit mir mitkommen, aber ich konnte ihn zu seinem Glueck gerade noch dazu bewegen daheim zu bleiben. Der weitere Weg bis nach Oviedo ging, laengere Zeit leider wieder im Regen, meist ueber kleinere Strassen und Feldwege, ich kam aber gut gelaunt am spaeten Nachmittag in Oviedo an, wo ich mir fuer die letzten 4-5 Kilometer der Strecke innerhalb der Stadt den Bus goennte.

Die dortige Herberge machte erst um 19 Uhr auf, sodass noch ein wenig Zeit blieb fuer einen Café. Meiner Bitte, auch zwei Tage bleiben zu koennen, stimmte der Herbergsvater zu und ueberliess mir erfreulicherweise auch einen Schluessel zur Herberge. Als erster von allen 16 Besuchern fiel ich gegen 22 Uhr hundemuede ins Bett. Aus meinem Schlaf wurde ich allerdings irgendwann durch die in dieser Nacht besonders vielfaeltigen Schnarchvariationen meiner lieben Mitpilger geweckt, die mit "schnorchelnd", "fiepsend", "roechelnd" bis "roehrend" charakterisiert werden koennen.

30.Tag (Montag 25.Mai) - von La Isla nach Valdedios - 32 km

Am Morgen waehlte ich bis zum naechsten Ort als kuerzesten Weg die Strasse, denn durch mein gestriges Verlaufen war mir die Gegend, durch die der regulaere Camino geht, ja schon sehr gut bekannt. Dort nahm ich in der naechsten Bar ein hervorragendes Fruehstueck ein. Auf schoenen, zum Teil jedoch sehr steilen Wegen ging es dann weiter, vor Villaviciosa allerdings auf zum Teil sehr schlammigen Wegen. In Piesca kam ich an einer wunderschoenen praeromanischen Kirche vorbei. Eine Frau aus dem Ort, die den Schluessel verwahrt, fuehrte mich durch die Kirche.

Praeromanische Kirche in Priesca













Ich hatte mich entschieden, bis nach Valdedios weiterzugehen, wo das dortige Zisterzienser-Kloster eine Pilgerherberge hat. Der letzte Abschnitt des Weges wurde zunehmend anstrengend und mir taten die Fuesse weh - einschliesslich das linke Knie (in meiner Heimat Hohenlohe gehen die Fuesse wirklich bis zu den Hueften). Aber Valdedios war mein Etappenziel und so schleppte ich mich mehr oder weniger durch den wieder einsetzenden Nieselregen.


Kapelle am Kloster Valdedios













Am Kloster angekommen, klingelte ich wie immer am Portal: keine Reaktion. Ich klingelte noch ein paar Mal: immer noch keine Reaktion. Dann hoerte ich schliesslich Stimmen, ganz in der Naehe des Portals musste also jemand sein. Ich klopfte mehrmals laut an die schwere Holztuer. Ein Priester und ein Moench oeffneten mir und ich aeusserte mein Anliegen, was ich ja inzwischen perfekt auf Spanisch konnte. Der Moench sprach Englisch, was die weitere Kommunikation erheblich erleichterte bzw. erst ermoeglichte. Es gaebe zurzeit ein Problem, eine komplizierte Situation fuer das Kloster, die Moenche seien nicht mehr da, sie seien in Oviedo, das heisst es gaebe in Valdedios keine Glaubensgemeinschaft mehr, an der ich jetzt teilnehmen koenne. Die separat zugaengliche Herberge sei aber verfuegbar. Zu meiner Frage, ob am naechsten Tag Gottesdienst sei, wurde mir dies bestaetigt, um halb neun in der Klosterkirche, ich koenne teilnehmen, die Kirche sei dann offen.


Herberge im Kloster Valdedios













Es gaebe allerdings noch ein praktisches Problem, in der Herberge gaebe es naemlich kein Warmwasser. Ich koenne aber im Kloster duschen. So wurde ich ueber mehrere Stockwerke und Treppen, durch lange Gaenge vorbei am Kreuzgang durch das menschenleere Kloster gefuehrt und zu einer verwaisten Moenchsstube gebracht, von der ich puenktlich nach einer halben Stunde von beiden wieder abgeholt, zum Portal geleitet und mit freundlichen Worten verabschiedet wurde.

In der Pilgerherberge schaltete ich den im Raum befindlichen Luftentfeuchter an, leerte die im Geraet befindliche volle Schale mit Wasser aus und ging zu einem Restaurant, dem einzigen Haus in unmittelbarer Naehe des Klosters. Dieses hatte Gott sei Dank geoeffnet und so kam ich noch zu einem wohlverdienten und gut saettigenden Pilgermenue. Zurueck in der Herberge, schlupfte ich mit meinen Kleidern am Leib in den Schlafsack und schlief so als einziger Pilger in einem kalten und relativ feuchten Schlafsaal. Zumindest versuchte ich zu schlafen. Und das, obwohl niemand schnarchte - vielleicht fehlten mir aber auch schon die entsprechenden Geraeusche der lieben Mitpilger. Das Geraeusch des Luftentfeuchters fing naemlich an, mich entweder an unsere Trockenmassnahmen nach dem Hochwasser zu Hause zu erinnern oder an den Luefter meines PC. Irgendwann in der Nacht schaltete ich das Geraet ab, was dann jedoch zur Folge hatte, dass das bloede Ding in regelmaessigen, aber immer laenger werdenden Abstaenden tropfte: Tropfen fuer Tropfen fiel in die Wasserschale. Ich stellte mir den Wassertropfen in einem Donald Duck-Zeichentrickfilm vor, in dem ein tropfender Wasserhahn bei Donald zu Schlafproblemen gefuehrt hatte: der Tropfen wurde langsam, ganz langsam immer groesser und groesser, bis er sich dann - inzwischen ueberdimensional gross - ganz langsam vom Hahn loeste und sich, der Schwerkraft folgend, einem vollem Wasserbecken zubewegte um dort schliesslich geraeuschintensiv aufzuschlagen - Donald blinzelte zuerst nur ab und zu und war dann selber irgendwann dem Platzen nahe - zeichentricktechnisch herrlich umgesetzt!

29.Tag (Sonntag 24.Mai) - von Ribadesella nach La Isla - 19 km

An diesem Morgen vom herrlichen Rauschen der Brandung aufgewacht, fuehlte ich mich - noch im Halbschlaf - wie im gerade gestern erst herbeigesehnten Erholungsurlaub unter Palmen, bis ich meine tatsaechliche Situation realisierte. Also machte ich mich wie jeden Tag wieder auf den Weg, diesmal ohne Fruehstueck, das ich auf spaeter verschob. Leider fand sich unterwegs keine Bar und es war Sonntag, das heisst alle Geschaefte waren zu, sodass mein Fruehstueck zwar ins Wasser fiel, es aber Wasser statt Kaffee gab, ein paar Kekse, eine Orange und einen Muesliriegel. Der Regen, der bis Mittag anhielt, vermochte meine Laune nicht zu verbessern.

Nach einem langen unwirtlichen Weg durch die Pampa bzw. durch die Pampe - die Strecke war wegen Naesse zum Teil fast unpassierbar - kam ich gegen Mittag schliesslich an einem herrlichen Stand wieder zurueck ans Meer, als sich das Wetter allmaehlich wieder aufklarte. Dampfende Nebelschwaden stiegen auf und zauberten eine aussergewoehnliche Stimmung, die mich natuerlich sofort dazu veranlasste, diese auf einem Foto festzuhalten. Beim Auspacken der Kamera muss mir dann irgendwie meine beigefarbene Muetze runtergefallen sein, ohne dass ich dies bemerkte. Im stark tonhaltigen Matsch bin ich dann mindestens 10 mal auf meiner Muetze rumgetrampelt - na die sah vielleicht aus ... (dieser Vorfall hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass meine Handwasch-Fertigkeiten inzwischen als perfekt bezeichnet werden koennen).


Nebelschwaden am Strand nach dem Regen













Dann kam ich an jenem tollen Strand schliesslich an einem Restaurant vorbei, es war noch Mittagszeit, also ideal fuer eine entsprechende Pause. Dort liess ich mich also platzieren und bestellte mir erst mal ein Glas Calimocho (ein tolles Getraenk, das zu 50% aus Rotwein und zu 50% aus Cola besteht, alles natuerlich mit Eiswuerfeln). Der Kellner brachte das Getraenk und - die Speisekarte und dann ... naja, ich bestellte die Rechnung, denn 18,- € waren mir fuer das Essen dann doch ein wenig zuviel. Peinlich peinlich ... also weiter auf dem Weg, der heute wie ich fand besonders schlecht ausgezeichnet war - schliesslich kam ich immer weiter von der Kueste weg, obwohl mein Etappenziel an der Kueste sein sollte, dann landete ich auf einem Weg neben der Autobahn, das kam mir dann irgendwie spanisch vor ... Durch eine intuitive Wegkorrektur erreichte ich aber auf (ab jetzt) direktem Weg La Islas, wo mich eine nette Herbergsmutter (die im Ort wohnt, und bei der man sich erst melden muss) zur super tollen Herberge begleitete. Diese war gut besucht, fast alles neue Leute, die ich noch nicht kannte. Eine Hamburgerin beklagte sich ueber den Kuestenweg, Strand (wird "s-t-r-a-n-d" ausgesprochen, nicht "s-c-h-t-r-a-n-d") haette sie ja schliesslich auch in Sankt Peter-Ording, der Camino Frances sei ja viel schoener. In einem nahegelegenen Restaurant gab es dann noch ein preiswertes und gutes Pilgermenue fuer 8,50 €, was will man mehr. So war der Tag schliesslich noch gerettet und Leib und Seele waren zufrieden ...


Zwei Strandlaeufer

20090523

28.Tag (Samstag 23.Mai) - von Llanes nach Ribadesella - 31 km

An diesem Morgen war es voll am regnen, so dass ich noch in der Herberge missmutig meine Regenkleidung aus dem Rucksack zerrte, die Kamera im wasserdichten Beutel dafuer dort verstaute und mich so auf den Weg machte. In einer zugegebenermassen depressiven Stimmung machte ich mich also auf den Weg zur Uferpromenade, von der man einen besonders schoenen Blick unter anderem auf die farbigen Betonwuerfel der baskischen Kuenstlers Agustin Ibarrola haben soll. Doch diese waren nicht einmal grau in grau zu erahnen. So trottete ich weiter immer in Richtung Westen, ab und zu nach dem richtigen Weg suchend. Meine Gedanken passten zum Wetter und ich fragte mich, wieso ich meine Urlaubstage nicht irgendwo am Strand in der Sonne verbringe. So setzte ich Schritt fuer Schritt und merkte dabei zuerst gar nicht, wie sich der Himmel langsam lichtete und wie der anfangs noch starke Regen in einen leichten Spruehregen ueberging.

Als es dann schliesslich ganz aufhoerte zu regnen, hellte sich nach und nach auch meine Stimmung und als mich der landschaftlich sehr ansprechende Weg dann schliesslich an einem verlassenen Kloster mit halb verfallenen Gebaeuden vorbei fuehrte, da war ich auf einmal wieder im Foto-Fieber, packte mein Stativ aus und ging auf Motiv-Jagd. Natuerlich habe ich Belichtungsserien gemacht, die dann zuhause noch zu hdr-Bildern bearbeitet werden koennen.

Die Fotografiererei hat mich allerdings mindestens eine Stunde gekostet, so kam ich erst gegen 18 Uhr in Ribadesella an, einem schicken Badeort. Die Jugendherberge, in der auch Pilger uebernachten koennen, liegt direkt am Strand direkt zwischen den noblen Hotels. Daher Schluss fuer heute, ich werde jetzt nochmal ueber den Strand gehen. Gruesse an alle Freunde und an die Familie!

20090522

27.Tag (Freitag 22.Mai) - von Colombres nach Llanes - 23 km

Um halb neun sollte es Fruehstueck geben. Das war ziemlich spaet, denn normalerweise stehe ich zur Zeit um sieben Uhr auf. So kam es, dass ich schon um 8 Uhr beim Fruehstuecksraum eintrudelte in der Hoffnung, dass es schon etwas gibt. Fehlanzeige! Um Punkt halb neun kam jemand und das anschliessende Fruehstueck war rechtausgiebig und gut. Neben Brot gab es die oligatorischen kleinen eingepackten Kuchen, Kaffee und Milch. Natuerlich liess ich keinen Kruemel uebrig! Der Weg nach Llanes war anfang recht oede, es ging staendig neben irgendwelchen Strassen her, erst ab der zweiten Haelfte des Weges wurde es zunehmend schoener und die Weg, der durch Waelder und ueber Weiden fuehrte, naeherte sich wieder dem Meer. Genau gegen zwoelf Uhr - da mache ich meist meine Pause und denke an die lieben Daheimgebliebenen - kam ich ueber einen geschwungenen Weg durch ein malerisches Tal an einen herrlichen Kieselstrand und konnte genoss die frische Meeresbrise.

Der weitere Weg bis Llanes fuehrte mich an einem Naturphaenomen vorbei, wo es Auhoehlungen im Felsboden gibt, die durch die Verkarstung entstanden sind; diese sind unterirdisch mit dem Meer verbunden. Bei starkem Seegang reichen die Wellen dann bis weit in diese Aushoehlungen hinein, so dass spruehende Fontaenen entstehen, die bis zu 20 m hoch werden koennen. Leider blieb mir dieses Schauspiel versagt, aber allein schon das Pfeifen, Fauchen und Grummeln in den Felsspalten zu hoeren, war schon recht eindrucksvoll.

Am spaeten Nachmittag kam ich dann in Llanes an, wo schon Anna und Rosa auf "mich warteten". Nach einer gruendlichen Waesche machte ich noch einen kleinen Stadtrundgang durch diese mittelalterliche Stadt, die zu den bekanntesten Badeorten der asturischen Kueste zaehlt. Ich besichtigte noch die bekannten "Erinnerungswuerfel" eines baskischen Malers, der die Betonwuerfel an der Hafenmole lustig und farbenfroh bemalt hat - die bekannteste Sehenswuerdigkeit von Llanes (Fotos hierzu folgen spaeter) .

26.Tag (Donnerstag 21.Mai) - von San Vicente de la Barquera nach Colombres - 18 km

Die heutige Wegstrecke war zwar recht kurz, dafuer aber grenzueberschreitend, denn ich habe Kantabrien hinter mir gelassen und erstmals Asturischen Boden betreten. Der Weg versprach tolle Ausblicke auf das Gebirge, besser gesagt die "Picos de Europa".


Blick auf die verschleierten Picos de Europa - Muh!













Leider machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung und die Picos huellten sich im Nebel. So ging ich durch eine sagenhaft schoene Landschaft, die mir jedoch weitgehend verborgen blieb - und so wurde mir mein Camino mehr und mehr "schleierhaft".
Zum Teil war die Route schlecht ausgezeichnet, sodass ich mich verlief und schliesslich ueber eine andere Strecke nach Unquera kam, die letzte Stadt Kantabriens. Aufgrund der kurzen Wegstrecke kam ich aber trotzdem schon am fruehen Nachmittag in der Herberge in Colombres an, ein in blau gehaltenes Gebaeude am Ortsrand von Colombres. Da staunte ich erstmal ueber den Preis, der sich deutlich von den letzten Herbergen nach oben hin abhob. Dafuer war der Stempel, den ich in meinen Pilgerpass bekam, aber auch doppelt so gross wie normal, d.h. er beanspruchte gleich zwei ganze Stempelfelder - na ja, eben dem Preis angemessen...

Spaeter kamen noch Anna und Rosa und wir freuten ueber das Wiedersehen. Am Abend machte ich noch einen kleinen Rundgang durch Colombres, besonders imposant fand ich das Museum und den Zentralen Platz mit Rathaus und Kirche. Gegen zehn ging es dann hundemuede ins Bett.


Das Museum von Colombres

20090520

25.Tag (Mittwoch 20.Mai) - von Cobreces nach San Vicente de la Barquera - 11 km zu Fuss

Da die Bruecke zwischen Comillas und San Vicente de la Barquera fuer Fussgaenger immer noch vollstaendig gesperrt war, hatte ich mich mit Guenther in der Herberge von Comillas verabredet, wo es weitere Informationen zu moeglichen Wegalternativen geben sollte.


Tor zum Meer - vor Comillas














Dort angekommen, kam mir schon Guenther mit den notwendigen Informationen entgegen. Auch Hans-Ruedi aus der Schweiz, die drei deutschen Max, Georg und Willy sowie Anna und Rosa aus Spanien waren neben vier weiteren Pilgern da. Wir beschlossen, den in einer halben Stunde (einmal am Tag) nach San Vicente de la Barquera fahrenden Bus zu nehmen, da die Alternativstrecke schlecht beschrieben ist, so dass schon mehrere Pilger stundenlang herumgeirrt sein sollen.


An der Bushaltestelle in Comillas














So war die heutige Tagestour fuer mich nur sehr kurz und ich bin schon gegen Mittag hier in der Herberge von San Vicente de la Barquera angekommen, wo ich neben Luis, dem Herbergsvater, auch vom Hauskater "Jagui" (was soviel wie Jakoebchen heisst) empfangen wurde, der es sich gleich ueber meinem Etagenbett bequem gemacht hat.


Hauskater Jagui ueber meinem Bett













Ich schaute mir den Ort an, leider hatte die Festung, von der man einen tollen Bick ueber zwei Meeresarme hat. Der Hafen mit seinen bei Ebbe einfach nur so daliegenden Fischerbooten gefiel mir besonders gut.


Im Hafen von San Vicente de la Barquera













Zu der Herberge, in der ich heute abgestiegen bin, wird in meinem Fuehrer unter anderem besonders hervorgehoben, dass Sofia, die Herbergsmutter, nach dem Abendessen deutschsprachige Arien singen soll. Da war ich natuerlich schon gespannt. Tatsaechlich, Sofie sang nach dem gemeinsamen Abendessen am grossen Tisch "Guten Abend, gute Nacht ...". Anna aus Spanien gab darauf ein Stueck im feurigen Flamenco-Rhythmus zum Besten. Die Stimmung war lustig und ausgelassen, wir unterhielten uns unter anderem ueber den Camino Costa sowie und ueber die anderen spanische Jakobswege. Obwohl die Verstaendigung aufgrund der vielen unterschiedlichen Sprachen (Spanisch, Franzoesisch, Englisch, Deutsch) eigentlich recht schwierig war, klappte die Kommunikation insgesamt ausgezeichnet. Neben mir waren da noch ein Hollaender, der mit einem Handkarren anstatt Rucksack unterwegs war, die zwei Spanierinnen Anna und Rosa, eine Franzoesin, zwei Deutsche und eben die Herbergseltern Luis und Sophie.


Gesellige Runde














Zu unserer Ueberraschung bekamen wir dann noch Besuch vom Ortspfarrer, der uns in seiner Gemeinde herzlich begruesste und uns nach einem gemeinsamen Gebet mit kleinen Andenken beschenkte.