20090617

47.Tag (Donnerstag 11.Juni) - von Monte do Gozo nach Santiago de Compostela - 5 km

Gegen 8 Uhr verliess ich nach einem improvisierten Fruehstueck die Herberge. Am Morgen dieses besonderen Tages, an dem ich meine Reise nach Santiago abschliessen sollte, huellte sich der Monte do Gozo noch im Nebel, aber im Laufe des Vormittags - dem feierlichen Ereignis angemessen - lichtete sich dieser und machte schliesslich einem Wechsel zwischen Sonne und Wolken Platz.


Das Papstdenkmal am Monte do Gozo im Nebel


Regulaer darf man in einer Pilgerherberge nur eine Nacht verbringen, die Herberge vor den Toren Santiagos bildet mit maximal drei Uebernachtungen insofern eine Ausnahme. Da ich zwei Naechte blieb, konnte ich also meinen Rucksack in der Herberge lassen - welch eine Wohltat!

In Santiago ueberquerte ich eine Autobahnbruecke und kam durch die Vorstadt dann in enger werdende Strassen und schliesslich durch schmale Gassen der Innenstadt, die sich durch eine barocke und klassizistische Bebauung auszeichnet. In dieser Kulturhauptstadt Europas ist es auch der bunte Mix an Menschen, der Santiago einen einzigartigen Flair verleiht. So darf sich diese Stadt sicherlich zu Recht mit zu den schoensten Staedten Europas zaehlen.


Auf dem Weg ins Zentrum Santiagos


Als sich bei meinem Gang durch die Altstadt ploetzlich eine Gasse weitete, oeffnete sich mein Blick unvermittelt auf die Kathedrale, vor der ich auf einmal stand und von der ich absolut beeindruckt war. Sie war in ihren Ausmassen, Proportionen, in ihrer Schoenheit und Wuerde wohl das beeindruckenste Gotteshaus, das ich bislang gesehen hatte. Da bis zur Pilgermesse um 12 Uhr noch rund eineinhalb Stunden Zeit war, beschloss ich zunaechst das Pilgerbuero aufzusuchen, um mir die begehrte Urkunde ("Compostela") abzuholen, die man bekommt, wenn man die letzten 100 km nach Santiago zu Fuss bewaeltigt hat.

Das Pilgerbuero befindet sich im ersten Stock eines ehrwuerdigen kirchlichen Gebaeudes in unmittelbarer Naehe der Kathedrale. Im Treppenhaus hatte sich schon eine lange Schlange gebildet und ich hatte das zweifelhafte Glueck, waehrend der Wartezeit an einer Unterhaltung zwischen zwei Pilgerpaaren in gebrochenem Englisch teilhaben zu duerfen, wobei das eine (deutsche) Paar direkt hinter mir, das andere Paar direkt vor mir stand. Mir anderen Worten: Ich war also mitten im Ort des Geschehens. Das Gespraech hatte ungefaehr folgenden Inhalt: Der Mann hinter mir mit Seppelhut regte sich ueber die lange Schlange und die schlechte Organisation auf, er habe jetzt vom Pilgern genug, dauernd das Gehen, er wolle auch nicht weiter zum Kap Finisterre und dort den Nebel ueber dem Meer begucken, im Uebrigen erzaehlte er von vielen anderen tollen Dingen, die er schon gemacht hat. Darauf sie, die sonst kaum etwas sagte, zu ihm "Angeber" (auf deutsch) usw. So ging das jedenfalls in einem fort, bis ich dann endlich an der Reihe war. Fuer meine "Compostela" bekam ich sogar eine Papprolle, damit diese den Transport nach Deutschland gut uebersteht.

Mit Papprolle und Kamera ging ich dann zur Kathedrale, denn es war bereits kurz vor 12 und ich wollte die Pilgermesse nicht verpassen. Da die Kathedrale schon absolut voll war ging ich neben den Bankreihen nach vorne, um Ausschau nach einem freien Plaetzchen zu halten (zuhause klappt dies ja auch meist). Tja, also da sah es schlecht aus, nur in der ersten Reihe rechts sassen tatsaechlich nur 4 Personen, ansonsten sass man naemlich zu fuenft in der Reihe. Die beiden Deutschen am Rand wollten aber nicht ruecken, sie liessen mich jedoch grosszuegigerweise "rueberklettern". So sass ich dann schliesslich in der ersten Reihe. Von der feierlichen Messe war ich sehr beeindruckt, das gilt uebrigens auch fuer die Predigt, von der ich zwar im woertlichlichen Sinn natuerlich nicht sonderlich viel verstanden hatte, allerdings war ich beeindruckt ueber den Enthusiasmus, mit dem der Priester alle verschiedenen Caminos nach Santiago aufzaehlte um sodann die zahlreichen Nationalitaeten der vielen Pilger zu nennen; schliesslich zaehlte er voller Begeisterung dann auch alle Staedte mit dem Namen Santiago auf, die es neben Santiago de Compostela in der Welt gibt. Das war wirklich eine begeisternde Predigt, die auch ohne grosse Spanischkenntnisse in weiten Teilen nachzuvollziehen war.

Der Feierlichkeit der Messe litt leider unter dem wenig feierlichen Benehmen mancher Mitpilger, die zeitweise sogar waehrend der heiligen Kommunion trotz der Bitte des Priesters, nicht zu fotografieren, ein regelrechtes Blitzlichtgewitter ausloesten (das hier abgebildete Foto des Chors habe ich uebrigens kurz vor der Messe gemacht).


Chor der Kathedrale


Die Kroenung war dann folgende Begebenheit: Als ein deutscher Pilger bei der Kommunion versuchte, von einem seitlichen Gang nach vorne zum Altar zu kommen (und nicht wie ueblich ueber den Mittelgang) wurde er von einer Ordnungskraft zurueckgeschickt. Dies kommentierte der besagte Pilger sodann mit einem lautstarken "Goetz von Berlichingen - Zitat", das ueber zahlreiche Bankreihen zu hoeren war. In dem Moment habe ich mich fuer meine Landsleute geschaemt.

Nach der Pilgermesse setzte ich mich in eines der zahlreichen Strassenrestaurants, um dort Mittag zu essen. Dann schlenderte ich durch das Zentrum Santiagos und liess mich einfach von dem Flair dieser Stadt treiben. Auf einmal stand da voellig unvermittelt Cosima vor mir und wir freuten uns riesig, uns hier wieder getroffen zu haben. Nach einem Cafè besichtigten wir das Pilgermuseum. Cosima, die in einem Kloster in Santiago uebernachtet hatte, fragte mich, ob ich Lust haette mit ihr und einem weiteren Freund ab morgen den Weg bis zum Meer zu gehen, nach Finisterre und zum Heiligtum von Muxia. Ich freute mich auf diese Perspektive und willigte gern ein. Wir verabredeten uns fuer den naechsten Morgen um 9 Uhr vor der Kathedrale.


Vor der Kathedrale


Am spaeten Abend kehrte ich mit dem Bus zum Monte do Gozo zurueck, um dort ein letztes Mal zu uebernachten.

Mit dem heutigen Tag ist mein Weg von der Pyrenaeen ueber die Nordkueste nach Santiago beendet und die nun folgende Wanderung ans Meer (oder wie man frueher geglaubt hatte, bis ans "Ende der Welt") soll dazu dienen, diese Reise ausklingen zu lassen und die vielen verschiedenartigen und fast durchweg positiven und schoenen Erfahrungen und Erlebnisse zu reflektieren.

Aber bevor ich am 19.06. nach Hause fliege, werde ich noch einmal fuer ein oder zwei Tage nach Santiago de Compostela kommen, um dann endgueltig von dieser herrlichen Stadt Abschied zu nehmen - zumindest fuer die naechste Zeit.