Pablo aus Hamburg, der am Morgen ueber starke Schmerzen am Knie klagte, suchte noch am gleichen Tag in Bilbao einen Arzt auf, so dass ich meinen weiteren Weg allein fortsetzte. Entgegen der Beschreibung in meinem Wanderfuehrer bin ich ueber die Berge bis nach Portugalete gegangen - hierdurch konnte ich vermeiden, direkt durch die Industrievororte Bilbaos zu gehen und ich konnte diese traurigen Zeugen des industriellen Verfalls aus der Entfernung betrachten. Hierbei kam ich auch durch moderne Gewerbegebiete sowie schaebige Arbeiterwohngebiete, die miteinander in starkem Kontrast standen. Der hier sichtbare Strukturwandel erinnerte mich stark an die Situation besonders in den Randgebieten ostdeutscher Industriestaedte.
Beeindruckend war der Blick auf die Bizkala-Bruecke, eine Haengebruecke aus dem Ende des 19.Jh., die noch heute in Betrieb ist.
Blick auf die Bizlaka-Bruecke
Je mehr ich mich Portugalete naeherte, desto ansprechender wurde die Umgebung und besonders an der Uferpromenade war es mit dem beklemmenden Gefuehl, das mit dem Dreck und Verfall der Vororte Bilbaos einherging, endgueltig vorbei. Eine frische Brise vom Atlantik zog auf und liess mich auf den weiteren Weg an der Kueste freuen.
Doch mit dieser Vorfreude war es bald wieder vorbei, denn um zu meinem naechsten Etappenziel Pobeña kommen zu koennen, musste ich die Kueste verlassen und mich quer durch Portugalete nach dem "Camino a Santiago" durchfragen. Am Ende der Stadt angekommen, erklaerte mit ein netter aelterer Herr den weiteren Weg ausfuehlich auf Spanisch. Auch als ich ihm zu erkennen gegeben hatte, dass ich ihm nicht folgen koenne, liess er in seinem Eifer nicht nach, so dass ich den Absprung mit "muchos gracias" nur mit grosser Muehe schaffte. Anschliessend fragte ich eine junge Mutter. Sie sprach Englisch, was die Sache wesentlich vereinfachte. In diesem Moment kam allerdings auch der aeltere Herr wieder hinzu, was zum Ergebnis hatte, dass sich nun beide lang und breit auf Spanisch darueber unterhielten, welcher Weg nun der Richtige sei. Mein Weg fuehrte mich dann an zahlreichen Baustellen vorbei hin zu einem roten Radweg, der sich quer ueber das Land in Richtung zu meinem Zielort schlaengelte. Das Problem war nur, dass dieser Weg durch den massiven Strassenbau in dieser Region mehrfach unterbrochen war und die Wegfuehrung dadurch nur sehr schwer zu finden war. Aber die Spanier, die ich fragte. waren alle sehr hilfsbereit, oft boten sie auch von sich aus ihre Hilfe an, wenn sie merkten, dass ich den "Camino" suchte.
Nachdem ich den Strassenbau-Laerm hinter mich gelassen hatte, wurde der Weg zunehmend schoener. Auch hier musste es sich um eine ehemalige Eisenbahnstrecke handeln, so schwungvoll und mit gleichmaessiger Steigung war dieser rot-schwarze Weg in die Landschaft eingebunden. Fussgaenger und vor allem Radfahrer waren unterwegs und es war eine Freude zuzusehen, mit wieviel Spass die Radfahrer auf dieser geschwungenen Strecke unterwegs waren.
zwischen Portugalete und Pobeña
In diesem Moment wuenschte ich mir natuerlich auch, nur mit einem Rennrad und ohne Gepaeck unterwegs zu sein. An den zahlreichen Rastplaetzen mit Grillmoeglichkeit sassen ganze Familien oder Gruppen von zumeist aelteren Leute, die sich zum Picknick oder Kartenspielen trafen, lachten und den herrlichen Sonnentag genossen.
Endlich kam ich wieder an der Kueste an und ueber einen wunderschoenen Sandstrand gelangte ich nach Pobeña, wo sich eine einfache, aber recht neue Pilgerherberge befand, die gut besucht war. Von meinen ehemaligen Weggefaehrten war niemand da, dafuer viele Franzosen, Neuseelaender, Spanier und ein Deutscher - Guenther, ein 65-jaehriger Frankfurter, mit dem ich - gemeinsam mit einem Spanier - den Abend bei einem hervorragenden Menue und einer Flasche Rotwein ausklingen liess.
 
